Vathy - und eine nette Bekanntschaft
Vathy - Festland  August 2003
Diesen Hafen behalte ich wahrscheinlich nur noch als "nervig" in Erinnerung: Gleich am Pier rasten in aggressiver Fahrweise knatternde Mopeds und hupende Autos vorbei, das Straßencafe gegenüber spielte laute Bierzeltmusik, rechts und links drückten italienische Motorbootfahrer und Dilettantensegler in Lücken, die halb so groß waren wie die Boote breit, es war trotz Wind drückend heiß und der Hund spielte auch noch verrückt indem er meinte, die Mopeds fangen zu müssen. 
Das nette an dem Hafen: Wir trafen das "Fine-Boot" wieder. Fine ist ein italienischer Mischlingshund, der sich auch Yachtbesitzer als Herrchen und Frauchen auserkoren hat und zurzeit mit einem Gipsbein herumhumpelt, weil er den Straßenverkehr unterschätzt hat. Diesem "Fine-Boot" hatten wir beim Wassertanken in der Vathy-Bucht (Lefkas) zu unserem tiefsten Bedauern den Anker herausgerissen (muss allerdings zu unserer Entlastung dazugesagt werden, dass es ein Alu-Anker mit nur 1 Meter Kettenvorlauf und Schwimmleine (!) war). Trotzdem war uns das rasend peinlich. Es tat der Wiedersehensfreude jedoch keinen Abbruch, und so saß man nach einem gemeinsamen Hundespaziergang auf der Deckterrasse unserer Unity. Später kam auch noch Knuth dazu - ein Norweger, dessen zentnerschwerer Trecking-Rucksack auf unserer Deckterrasse deponiert war. 
Wir hatten Knuth zum ersten Mal gesehen, als er auf einer Bank am Ufer saß und – man glaubt es in dieser hektischen Gegend kaum – ein richtiges Buch las (sonst trifft man hier nur Leute mit Stadtplänen und Reiseführern). Später, während unseres Abendessens auf der Heckterrasse, stand er an die Straßenlaterne vor unserem Boot gelehnt - tief in Gedanken versunken friedlich vor sich hinblickend. Nachdem er eine halbe Stunde wie bestellt und nicht abgeholt in die Landschaft gelächelt hatte bot Thomas ihm einen Stuhl an. Nein, er warte auf nichts, meinte er, er sei sich nur noch unschlüssig, in welche Richtung er gehen wolle und was er machen möchte. Ach ja, es wäre nett von uns, wenn wir ein Auge auf seinen Rucksack haben könnten, dann würde er sich gerne ein wenig umsehen, auch fürs Nachtquartier usw. So kam also Knuths Gepäck auf unsere Heckterrasse und später am Abend eben auch Knuth. Nein, ein Quartier hätte er noch keines gefunden - ja, ein kühles Dosenbier wäre nett. Zu fünft saßen wir plaudernd in einem Mischmasch aus Englisch und Deutsch in dem kühler werdenden Abend, während die Hunde die letzten Ecken des Schiffs inspizierten. Knuth saß meist nur da und träumte vor sich hin und redete nur, wenn man ihn direkt etwas fragte. Er wolle schreiben - über was, schwieg er sich aus. Er suche eine ruhige Gegend in Griechenland, wo er ein halbes Jahr bleiben wolle und viel Ruhe habe. Knuth bestand an sich schon aus einem fast beängstigenden Prozentsatz von Ruhe. Man hätte fast meinen können, er wäre hundert Jahre zu spät geboren und hätte das Zeitalter der Romantik vor lauter Ruhe glatt verpasst. Er sah mit seinen 35 Jahren aus wie knapp über 20, den blonden Kopf auf seinem schlaksigen Körper voll mit Idealismus, der schon stark an Naivität grenzte und kindliche Unschuld verströmte. Da wir diesen liebenswerten Träumer weit nach Mitternacht nicht einfach auf die Straße schicken wollten boten wir ihm - trotz lautstarkem Protest von Pia - die freie Matratze in der Heckkabine an. Thomas schlief frierend auf dem Heck als "Wache". Wären wir am nächsten Morgen nicht sehr bald weiter gefahren, würde Knuth immer noch auf unserer Deckterrasse sitzen  und träumen. So aber reichte Thomas dem „Wanderer ohne Entscheidungsfreudigkeit“ Tasche und Riesenrucksack die Gangway hinunter, Pia wedelte erleichtert mit dem Schwanz (nachdem sie ihn am Morgen nochmals ziemlich angepfiffen hatte) und jeder zog seiner Wege. 
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